Das Meme „Ich muss raus“ ist deutschlandweit bekannt. Durchaus interessieren sich Leute, was aus den Personen aus den Meme-Videos passiert ist. Jemand hat sich das zunutze gemacht, um eine Social-Media-Karriere zu starten, seine Lügen sind nun aufgeflogen. In den Kommentaren zeigen sich die Leute erbost und werfen ihm auch Identitätsdiebstahl vor, denn er hat sich immerhin für eine andere Person ausgegeben. Um was es in diesem Video geht, wie es entstanden ist und weshalb sich hieraus ein Skandal gebildet hat, lesen Sie im folgenden.
Warum das „Ich muss raus“-Video so bekannt wurde
Wer im Internet unterwegs ist, kennt ihn: den Jungen im Bus, der mit genervter Stimme „Ich muss raus!“ ruft. Die Szene, die vermutlich in einer Schulfahrt aufgenommen wurde, entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem der bekanntesten deutschen Memes, auch dank Instagram Reels und TikToks. Der Clip ist kurz, absurd, witzig – somit ideales Material, um den Clip in seinen Videos zu verwenden als Gag oder um den Sound hieraus für seine Sketche zu verwenden, hierüber verbreiten sich die Meme-Videos schnell. Der Clip ging aber nicht nur viral, es gehört auch zur Internetkultur, dies ist die Meinung der zahlreichen Reddit-und TikTok-Kommentatoren.
Besonders auf TikTok, Reddit, X und Instagram tauchte das Meme immer wieder auf – mal als GIF, mal in Remix-Form, sogar als Song oder mal als Inspiration für neue Trends. Das Gesicht des Jungen wurde dabei zum Symbol für Alltagsflucht, Schulstress und generelles Genervtsein – Themen, mit denen sich eine ganze Generation identifizieren kann.
Doch trotz der immensen Bekanntheit des Memes blieb die Identität des Jungen über Jahre hinweg unbekannt. ProSieben begab sich auch mal auf die Spuren des Videos, jedoch wollte sich der Junge nicht öffentlich zeigen: Es gab keine offiziellen Quellen, keine bestätigten Interviews – nur den Clip. Und genau diese Lücke im Netz wurde zur perfekten Angriffsfläche für jemanden, der sie zu seinem Vorteil nutzen wollte.
Die Selbstinszenierung von „Norealjoel“ als Memejunge
Vor einigen Monaten tauchte plötzlich ein Instagram-Account auf, der behauptete: „Ich bin der Junge aus dem Meme.“ Der Betreiber nannte sich „Norealjoel“ und postete ein Video, in dem er seine vermeintliche Identität offenbarte. Damit löste er einen Sturm an Reaktionen aus. Die Plattformen explodierten, seine Followerzahlen schossen in die Höhe. Zudem war er auch noch bei ProSieben und erzählte hier seine „Fake-Story“.
Joel war nicht der Erste, der sich als Memejunge ausgab – aber definitiv der glaubwürdigste. Seine Posts wirkten professionell, er hatte augenscheinlich „Beweise“ und erzählte seine Geschichte mit viel Emotionalität. Angeblich sei er damals wegen der Szene massiv gemobbt worden, habe sich zurückgezogen und wolle nun, Jahre später, damit abschließen. Viele Nutzer glaubten ihm – vielleicht, weil sie sich selbst mit der Story identifizieren konnten.
Joel nutzte die Aufmerksamkeit geschickt. Er wurde von Formaten wie „Erkennst du das Meme?“ eingeladen, machte Interviews und verdiente sogar Geld mit Werbung – unter anderem für fragwürdige Online-Casinos. Die Aufmerksamkeit, die er bekam, war enorm. Doch hinter dieser Fassade baute sich bereits ein Kartenhaus zusammen, das bald in sich zusammenfallen sollte.
Wie die Lüge aufflog – Hinweise, Zweifel und Enthüllungen
Die ersten Zweifel kamen nicht von ungefähr. Wie so oft im Internet, waren da Leute, die genauer hinsahen. Warum sehen die Kinderbilder von Joel anders aus als der Junge im Clip? Warum weichen Details in seiner Geschichte immer wieder ab? Und warum tauchten plötzlich andere Personen auf, die ebenfalls behaupteten, der „Ich muss raus“-Junge zu sein?
Besonders brisant wurde es, als der TikTok-Kanal „Offen un‘ ehrlich“ begannen, den Fall genauer zu untersuchte. Dabei stießen sie auf zahlreiche Ungereimtheiten. Ein ehemaliger Lehrer des echten Jungen meldete sich und sagte klar: Die Fotos von „Norealjoel“ passen nicht zum echten Schüler. Auch die Schulbescheinigung, die Joel verbreitete, stellte sich als Fälschung heraus.
Das Video wurde vor einigen Wochen auf TikTok veröffentlicht, mitsamt allen Informationen und Beweisen. Darauf stieß folglich AlphaKevin, welcher diese Informationen auch für sein Video verwendete und von da aus verbreitete sich dies rasend schnell. Ein Shitstorm gegen den Betreiber des Fake-Kanals entbrannte. Er veröffentlichte nun ein Statement-Video, womit er es aber noch schlimmer gemacht hat.
Laut Joel stammte das Dokument von einem Freund, der es erstellt habe. Doch Joel nutzte es aktiv, um seine Geschichte zu untermauern – ein klarer Fall von Täuschung, möglicherweise sogar strafrechtlich relevant? Zusätzlich tauchten Hinweise auf, dass er andere Personen kontaktiert habe, um weitere Details zur echten Identität zu sammeln und seine eigene Lüge auszubauen.
Mit AlphaKevins Enthüllungsvideo kam schließlich der Wendepunkt. Die Indizien waren erdrückend, der Druck zu groß – Joel musste reagieren.
Das große Geständnis: „Ich habe ganz Deutschland belogen“
In einem ersten Statement, das später wieder gelöscht wurde, gestand „Norealjoel“: „Ich habe ganz Deutschland belogen.“ Die Worte trafen hart, vor allem bei jenen, die ihm geglaubt und ihn vielleicht sogar unterstützt hatten. Joel erklärte, dass er die Idee hatte, sich als der Memejunge auszugeben, nachdem er gesehen hatte, dass sich der echte Junge nie öffentlich äußerte.
Sein Ansatz sei es gewesen, durch die Geschichte Aufmerksamkeit auf das Thema Mobbing zu lenken – immerhin habe er selbst in der Schulzeit ähnliche Erfahrungen gemacht. Doch statt bei dieser Botschaft zu bleiben, habe er sich immer tiefer in die Rolle hineinmanövriert. In Interviews erzählte er persönliche Erlebnisse, stellte sie aber als Teil der Meme-Geschichte dar. Ein Spiel mit der Wahrheit, das schnell außer Kontrolle geriet.
Joel sprach von einer Person auf Instagram, die ihm bei der Konstruktion der Lüge half. Namen nannte er nicht, die genaue Motivation dieser Person blieb ebenfalls unklar. Im Rückblick sei vieles „aus dem Ruder gelaufen“, so Joel. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Vertrauensbruch bereits vollzogen.
Offenbar hat er auch bei seinem echten Namen gelogen. In einem Reel hatte er sich versprochen und so kam wohl auch heraus, dass er eben nicht „Joel“ heißt, sondern „Julian“, dies berichtet unter anderem der angepinnte Kommentar bei AlphaKevin.
Ein zweites Statement voller Widersprüche und Rechtfertigungen
Wenig später folgte ein zweites Statement. Diesmal versuchte Joel, tiefer in seine Beweggründe einzutauchen. Er erzählte, dass ihn das TV-Format „Erkennst du das Meme?“ inspiriert habe, sich selbst als der Junge auszugeben. Als er bemerkte, dass andere Leute sich ebenfalls als der Junge ausgaben, habe er einfach „mitgemacht“.
Joel erklärte, dass es eigentlich nur ein Gag gewesen sei. Etwas, das sich im Spaß entwickelte und dann völlig eskalierte. Der Punkt, an dem er hätte zurückrudern können, sei schnell überschritten gewesen. Stattdessen tauchte er immer weiter in die Rolle ein – bis er selbst begann zu glauben, dass er wirklich der Junge aus dem Clip sei.
Er sprach sogar davon, dass ihm die Lüge leid tue – insbesondere, weil er dadurch auch den echten Jungen verletzt haben könnte. Gleichzeitig rechtfertigte er sein Handeln mit seiner eigenen, schwierigen Kindheit und dem Wunsch, verstanden zu werden. Viele Zuschauer jedoch empfanden das Statement als wenig glaubwürdig. In den Kommentaren schlugen ihm Spott, Kritik und psychologische Ferndiagnosen entgegen.
Die Reaktionen der Community: Zwischen Spott, Wut und Enttäuschung
Die Reaktionen auf den aufgedeckten Betrug ließen nicht lange auf sich warten – und sie waren alles andere als freundlich. In den sozialen Netzwerken wurde Joel regelrecht zerrissen. Besonders auf Instagram und TikTok hagelte es Kommentare, die von Enttäuschung bis hin zu offener Wut reichten. Viele Follower fühlten sich betrogen, hatten ihm Mitgefühl geschenkt, ihm vielleicht sogar Nachrichten geschrieben oder seine Geschichte geteilt – alles basierend auf einer Lüge.
„Du brauchst einen Therapeuten und keine Reichweite“, schrieb ein Nutzer direkt unter das Statement. Ein anderer kommentierte: „Du kannst doch nicht ernsthaft erwarten, dass dieses Statement irgendwas verbessert. Wie wäre es mit einer ehrlichen und aufrichtigen Entschuldigung?“ Die Enttäuschung war riesig – denn es ging hier nicht um ein simples Missverständnis, sondern um monatelange Täuschung, inklusive gefälschter Dokumente und Medienauftritten.
Für viele ist es genau dieses Verhalten, das das Vertrauen in Influencer und Content-Creator nachhaltig beschädigt. Wenn jemand mit einer solch emotionalen Geschichte viral geht, dabei aber lügt, stellt das nicht nur seine eigene Glaubwürdigkeit infrage – sondern auch die Integrität einer ganzen Szene. Der „Ich muss raus“-Fake wurde so zum Symbol für alles, was in der Social-Media-Kultur aktuell schiefläuft: Aufmerksamkeit um jeden Preis, Reichweite durch Manipulation und der Versuch, sich selbst zur Marke zu machen – auch wenn es auf Lügen basiert.
Warum der echte „ich muss raus“-Junge anonym bleiben möchte
Während „Norealjoel“ in die Öffentlichkeit drängte, bleibt der echte Junge aus dem Meme weiterhin anonym – und das aus gutem Grund. Laut Aussagen eines ehemaligen Lehrers möchte die Person nicht erkannt oder in die Öffentlichkeit gezerrt werden. Er habe sich bewusst dazu entschieden, die Aufmerksamkeit nicht zu suchen – wohl auch, weil der Clip damals mit negativen Erfahrungen verbunden war.
Das „Ich muss raus“-Meme mag für viele witzig sein, doch für den Jungen selbst war es offenbar kein harmloser Spaß. Laut diverser Quellen wurde er nach der Veröffentlichung des Videos in der Schule gemobbt, möglicherweise sogar langfristig belastet. Warum also sollte er sich Jahre später wieder in diesen Kontext begeben – nur um Likes, Aufmerksamkeit oder Interviews zu bekommen?
Sein Schweigen ist in diesem Zusammenhang ein stiller, aber starker Akt. Es zeigt, dass man sich dem digitalen Hype auch bewusst entziehen kann. Dass nicht jede virale Geschichte eine Bühne braucht. Und dass echte Menschen hinter Memes oft ganz andere Geschichten mit sich tragen als das, was wir in zehn Sekunden Internet-Clip sehen.
Gleichzeitig zeigt sein Rückzug auch, wie perfide Joels Verhalten war. Er nutzte das Schweigen des echten Jungen aus – und baute seine eigene Geschichte darauf auf. Eine Geschichte, die viele berührte, aber eben nicht seine war.
In den Kommentaren unterhalb des Statement-Videos kam es nun zu Forderungen wie „Gib dem Jungen sämtliche Einnahmen, die du mit der Fake-Story generiert hast.“